Das Röllbacher Weistum von 1559
„...zu recht gesprochen und gewiesen“
In der Chronik von Röllbach, verfasst von Carl Friedrich Reinhardt im Jahre 1905, ist der Text der „Gerechtigkeit des Dorffgerichts unnd des Dorffs zu Rölbach“ überliefert.
Das Dokument, - das Original ist leider nicht mehr auffindbar- ist im 16. Jahrhundert „auß dem altten Reygister verneuwtt wordten“, enthält also auch ältere Bestandteile, die uns über den Alltag, die rechtliche und soziale Struktur, die (land-)wirtschaftlichen Zwänge und über Verhaltensregeln im Not- und Kriegsfall im Röllbach des späten Mittelalters und der frühen Neuzeit unterrichten. Einige Formulierungen und Inhalte erlauben offensichtlich darüber hinaus einen Blick in weiter zurückliegende Jahrhunderte.
Gerechtigkeit des Dorffgerichts unnd des Dorffs zu Rölbach,
So uff ein yedes Martinsgericht durch die Schöpfen zu recht wirt mir gesprochen und gewiesen.
Durch mich Joas Willensteynn, offenn. Notar auß dem altten Reygister verneuwtt wordten, Im Jar als man Zaltt nach Christi unsers Heilandes und seligmacherß geburtt dausend Fünfhunder Funpfzig und neün Jahr.
Gewiesenes Recht
Die Einzelbestimmungen der „Dorfgerechtigkeit“ sind also nicht 1559 ausgehandelt und festgelegt worden, sondern gehen auf ältere Urkunden und insbesondere auf mündliche Überlieferung zurück. Die Regelungen der Dorfordnung wurden „gewiesen“, das heißt: mündlich von Generation zu Generation weiter gegebenes Gewohnheitsrecht ist damals dem Notar Johann Willenstein im Beisein der Herrschaft „gewiesen“ und in die Feder diktiert worden.
Gottgegebene Ordnung
Gewiesenes Recht erklärt und legitimiert sich aber nicht nur durch die Tradition, sondern letztlich durch das religiöse Weltbild.
Es galt das Prinzip: Je älter eine Urkunde oder eine andere Überlieferung, eine desto höhere Glaubwürdigkeit besitzt sie. Letztlich aber vertraute man darauf, dass die gegebene Ordnung schon von Anfang an Gültigkeit hat, weil sie nicht eine von Menschen gemachte, die man auch verändern könnte, sondern eine von Gott für alle Ewigkeit grundgelegte ist.
Die Gesellschaft ist wie eine Kirche aufgebaut. So wurde gelehrt und geglaubt. Mittelpunkt ist der Altar (die Religion); die tragenden Pfeiler und das schützende Dach repräsentieren die Bischöfe und die weltlichen Fürsten. Den Boden bilden die Bauern. An diesem Bau etwas ändern zu wollen, wäre - im wahrsten Sinne des Wortes- Umsturz der gottgegebenen Ordnung und Sünde!
Das Röllbacher Weistum aus dem „Jar als man Zaltt nach Christi unsers Heilandes und seligmacherß geburtt“ 1559 steht deshalb ganz selbstverständlich unter dem Vorzeichen der Religion, die auch die Ordnung im Dorf begründet und schützt. Die dominierende Stellung der Kirche im Ortsbild ist ein sinnenfälliges Zeichen dafür.
Das Martinsgericht
Wo fand das Martinsgericht statt? Es ist anzunehmen, dass es in der Dorfmitte in der Nähe der Kirche unter einer Gerichtslinde tagte, bei schlechter Witterung wohl in einem der stattlichen Höfe, vielleicht im Haus des Schultheißen. Seit dem 16. Jahrhundert nutzte man das im Weistum unter Nummer 16 erwähnte „gemeine hauß“, das Rathaus.
Der Termin an Martini (11. November) war im Leben der Dorfgemeinschaft in besonderer Weise hervorgehoben, nicht nur wegen der alljährlichen Sitzung des Dorfgerichts. Der Martinitag war eine wichtige Zäsur im Jahresablauf der bäuerlichen Bevölkerung. Mit diesem Tag endete sozusagen offiziell das landwirtschaftliche Jahr.
Teilnahme war Pflicht für alle „Nachbarn“, das waren die Pächter der Höfe und die Hübner, die auf einer kleineren Bauernstelle saßen, nicht jedoch die Knechte und Tagelöhner. Im 14. Jahrhundert gab es in Röllbach 36 Huben und 10 Höfe oder Lehengüter. Etwa 50 Nachbarn bildeten also den „Umstand“ beim Dorfgericht.
Den Vorsitz hatte der Vertreter der Herrschaft, der Amtmann zu (Stadt-) Prozelten oder der Keller, der in Röllbach residierte. Die Herren Beamten erhielten für ihre Teilnahme eine „Atzung“, also eine Verköstigung. Die Dorfrechnung von 1657/58 vermerkt: „Bei gehaltenem Märtenß gericht an zehrung und schreiberlohn ufgangen...“
Ein Schreiber führte das Protokoll. Lange Zeit war schriftliche Fixierung entbehrlich. Seit dem späten Mittelalter nehmen jedoch Schriftlichkeit und Verwaltung zu.
Der übliche Ablauf des Martinsgerichts
(rekonstruiert nach Röllbacher Quellen und Parallelbeispielen)
Der Amtmann als Vertreter der Herrschaft eröffnete die Sitzung, indem er seinen Gerichtsstab dem Schultheißen übergibt und diesen und die Schöffen bittet, das Gericht zu hegen und das Recht zu weisen, wie es im Ort herkömmlich ist. Der Schultheiß fordert die Anwesenden auf, Platz zu nehmen und beginnt mit einem überlieferten Ritual: Er fragt den ältesten der zwölf Schöffen, ob das Gericht richtig besetzt ist, ob der Termin rechtzeitig angekündigt war (in Röllbach musste er 14 Tage vorher bekannt gegeben werden) und ob der Zeitpunkt der Sitzung der richtige ist. Der Schöffe antwortet darauf jeweils mit Ja.
„In wessen Namen soll das Gericht gehegt werden?“ lautet die nächste Frage. Antwort: „Im Namen des Erzbischofs von Mainz und seiner Vertreter hier vor Ort, aber auch im Namen von Schultheiß, Schöffen und der Hübner von Röllbach.“.
Daraufhin gebietet der Schultheiß den Frieden des gehegten Gerichts und verbietet jedwede Störung, Ungezogenheit oder gar Tätlichkeit. Wer sich nicht an die Regeln hält, muss die anschließende „Zeche bezahlen“. Dann folgte die übliche Tagesordnung:
- „Uff eyn jedes Martinsgericht“ ist das Weistum in allen Einzelheiten laut vorgelesen und so ins Gedächtnis gerufen worden.
- Die Lehensbestätigung (im Inhalt des Weistums ausführlich beschrieben)
- Die Gemeinderechnung wurde abgehört, geprüft und genehmigt
- Die gemeindlichen Ämter wurden neu oder wieder besetzt: der Schreiber, die Hirten, die Kirchendiener, der Gemeindediener („Heimberger“) usw.
- Die erwachsen gewordenen Männer wurden in die Nachbarschaft aufgenommen; sie gelobten Treue dem Dorf- und Landesherrn und versprachen, den „Vorgesetzten Beambten schultig gehorsamen undt gebührenden Respect Erzeigen“ zu wollen.
- Wenn in der Gemeinde ein anstehendes Problem auftrat, wurde es besprochen.
- Dann folgte das Ruggericht (das aber auch an anderen Terminen anberaumt werden konnte). Jeder Einwohner war verpflichtet, Verstöße gegen die Dorfordnung, die ihm zu Ohren gekommen waren, zu rügen, also anzuzeigen. Da ging es um Ordnungswidrigkeiten, Grenzfragen, Scheltworte und persönliche Auseinandersetzungen.
Zum Abschluss des Martinsgerichts gab es einen gemeinsamen Trunk, oft ein gemeinsames Essen. Dieser Freitrunk, der ganz oder großenteils auf Kosten der Gemeinde erfolgte, war natürlich eine wichtige Motivation, um der Prozedur dieser Gerichtssitzung beizuwohnen. Aber es war überhaupt üblich, wichtige Besprechungen, Abredungen oder Verkäufe mit einem Trunk zu besiegeln.
Am 11.11. wurde traditionsgemäß die Martinsgans verspeist. Für diesen Brauch gibt es mehrere Erklärungen:
- Die Gans war oft Zinsobjekt. Mancher Bauer musste seinem Grundherrn zum Abschluss der Erntearbeiten eine Gans als „Anerkennungsgebühr“ übergeben.
- Eine zweite, genauso vordergründige wie plausible Erklärung lautet folgendermaßen: Die Gänse konnten jetzt, am Ende der Vegetationszeit, nicht mehr auf die Weide getrieben werden. So wurden die meisten Tiere jetzt geschlachtet. Der Festtagsbraten bedeutete für die meisten Menschen zugleich das letzte große Essen vor Beginn des Winters mit seiner vitaminarmen, wenig abwechslungsreichen Ernährung (in einer Zeit, in der es noch keine Konserven oder Kühltruhen gegeben hat). In vielen Gemeinden begann nach Martini die 40-tägige Fastenzeit vor Weihnachten.
Martini war also in vielfacher Hinsicht ein Höhepunkt im Jahresablauf und wurde entsprechend begangen.
Inhalt des Weistums
Weistümer „sind ja im Grunde nichts anderes als Markierungen der Grenzen zwischen herrschaftlichem und bäuerlichem Bereich“. Betrachtet man die Festlegungen im Röllbacher Dorfgericht, wird deutlich, dass in erster Linie die Herrschaft ein starkes Interesse daran hatte, herkömmliche Gepflogenheiten schriftlich zu fixieren. Nach der Niederschlagung der Bauernerhebungen von 1525 wurden ohnehin die Herrenrechte wieder stärker betont. Nur an wenigen Stellen gelang es den Bauern, Härtefälle zu mindern und Verpflichtungen einzugrenzen.
Die Herrschaft
Zum Erstenn.
Item weist man hie zu rölbach am martinßgericht zu recht unserm gnedigsten Churf. und Hern vonn meintz unnd eynem Jeden amptmann zu prozeltt und dem Keller daselbs zwue Atzung, Nemblich eyne Zu dem martinußgericht, die andere so mann den Zehendt hinleyhen thut.
Grund- und Gerichtsherr in Röllbach und zugleich Landesherr war der Erzbischof und Kurfürst von Mainz. Das Weistum beschreibt damit den –vorläufigen- Abschluss einer langen Vorgeschichte, die bei den Burgherren auf der Clingenburg begann, über eine Vielzahl adeliger Hofbesitzer und diversen Schenkungen an den Deutschen Orden weiterging, der die Röllbacher Besitzungen von (Stadt-) Prozelten aus verwaltete. Am 27. Mai 1484 schließlich tauschte Mainz diesen Deutschordenskomplex ein, zu dem auch Röllbach gehörte.
Seitdem sind der Keller vor Ort und der „kurmainzische Amtskeller zu Stadtprozelten“, der in der Sage den Bau der Maria- Schnee- Kapelle verhindern wollte, die zuständigen Repräsentanten der Herrschaft. Der Amtmann ist der Vorsitzende und „Stabhalter“ des Gerichts, der die einzelnen Artikel der Dorfordnung von den Schöffen erfragt und dann verkündet.
Aufgabe des Mainzer Erzbischofs war es, Dorf und Land zu schützen und zu schirmen. Verwaltungsbeamte und Soldaten mit ihren teuren Ausrüstungen müssen bezahlt, Straßen, Brücken und Festungen finanziert werden. Als Gegenleistung forderte der Kurfürst als Landesherr übliche und außerordentliche Steuern, Dienste und Abgaben, die zum Teil als Geld, überwiegend aber in Naturalien zu leisten sind. Die Festschreibung der grundherrlichen Rechte und der Pflichten der Bauern, die die Grundstücke und Höfe „geliehen“ bekommen haben, steht im Röllbacher Weistum an erster Stelle.
Lehensbestätigung
In einer sinnenfälligen Zeremonie, die in Sprache und Rechtssymbolik offenbar auf ein hohes Alter verweist, wurden am Martinsgericht sämtliche Güter dem Grundherrn zurückgegeben, der sie dann den „armen“ wieder neu verliehen hat.
„Die Armen“: Mit diesem Begriff, der im Weistum fünfmal verwendet wird, wurden üblicherweise die Bauern bezeichnet. 90 Prozent der Bevölkerung zählten im hohen Mittelalter zu dieser Schicht der in der Landwirtschaft Tätigen.
In dieser großen Schicht gab es gewiss größere Unterschiede nach Besitz und sozialer Anerkennung. In der Regel unterstanden aber die Bauern dem Hausrecht des Grundherrn; sie waren häufig „unfrei“ und leibeigen, wie die Röllbacher bis zum Jahre 1810.
„Mit Hand und Halm“ wurde jedes Jahr vor versammelter Nachbarschaft bildhaft das vorgeführt, was heute ein schlichter Eintrag ins Grundbuch beim Amtsgericht bewirkt: Die Feststellung, wer Eigentümer und wer derzeitiger Besitzer ist. Der Hofmann oder Hübner übergab also eine Kornähre dem Vertreter der Herrschaft, dem er „in die Hand“ versprach, ein guter Verwalter zu sein und erhielt „onn Silber und goldt“, also ohne zusätzliche Kosten (und ohne Bestechungsgelder), sein Gut wieder zurück. De facto besaßen die „Beständer“, die jeweiligen Inhaber der Huben und Höfe, diese in Erbpacht.
Die Symbolik dieser Rechtshandlung und die Formelhaftigkeit der Sprache erinnern daran, dass das Weistum aus einer Zeit stammt, in der die Menschen in der großen Überzahl lese- und schreibunkundig waren. „Mit Hand und Halm“ und „in Ast und Bau“ sind standardisierte Formeln, die leicht zu merken waren. Außerdem ist ja das ganze Weistum jedes Jahr den versammelten (männlichen) Gemeindemitgliedern vorgelesen worden.
In einem Testament aus dem Jahre 1551, das im „Dorfbuch“ aufgezeichnet ist, übergibt eine Witwe ihrem Sohn ihre Habe „mit Hand und Halb“ (sicherlich verschrieben für „Halm“). Die bekannte Formel wurde also auch für privatrechtliche Vorgänge benutzt.
„In Ast und Bau“ sollen die Güter gehalten werden. Diese Wendung kommt im Weistum dreimal vor. „Bauen“ ist meist identisch mit „bebauen“. “Asten“ -in dem alten Wort steckt die Bedeutung „Äste treiben“ - heißt also soviel wie „pfleglich behandeln, sinnvoll nutzen, um ständige Verbesserung bemüht sein“. So sollte auch das „gemeine haus“, das Röllbacher Rathaus, „in ast und baw gehaltenn werden“ (Weistum Nr. 10).
Wie „Ast und Bau“ verstanden werden sollte, wird an zwei Beispielen in Abschnitt 3 und 4 konkretisiert.
Die Güter dürfen „nit zerrissen werden“. Allerdings deutet das Weistum bereits mögliche Ausnahmen an und diese Ausnahmen scheinen in der Folgezeit die Regel geworden zu sein. So musste 1629 festgestellt werden, dass „die Unterthanen zu Röllbach die inhabenden Lehenshöf dergestalt vertheilt und zerrissen, dass an einer hub oft ins 12, 15 undt mehr theil haben“.
Nach dem Mainzer Landrecht galt das Prinzip der Realteilung. Die Besitzungen und die Feldstücke wurden von Generation zu Generation unter die Erben aufgeteilt. Das führte zu einer ungünstigen und unwirtschaftlichen Zerstückelung der Äcker in kleine und kleinste Parzellen.
Jeder Bauer musste um Bodenverbesserung bemüht sein. So wurde zu Recht gewiesen, „daß ein ider in ein Hueb Zehen wagen mists bessern söll, und in einen Hoff 15 wagen“
Hube, Huber, Hübner
In Röllbach lassen sich 36 Huben nachweisen. Eine davon war die Kapellenhube, die eine durchschnittliche Größe hatte. Der Huber oder Hübner, der sie bewirtschaftete, hatte 19 Ackerflächen unterschiedlichen Umfangs, verteilt auf die drei Flüre der Röllbacher Gemarkung: Die äußere Flur gegen Mönchberg, die mittlere Flur und die „äußere dritte Flur hinzu dem Rosshof“. Die drei Flüre wurden nach dem System der Dreifelderwirtschaft im regelmäßigen Wechsel von Sommergetreide, Wintergetreide, Brache bearbeitet. Mit etwa 45 Morgen Ackerfläche -dazu kam noch eine größere Wiese- verfügte der Kapellenhübner ein Drittel des Umfangs des Herrschaftshofes.
Die leidigen Steuern
Zum Sechsten.
Item weist man zu rechtt, daß sie die von Rölbach,meynem gnedigsten Hernn und Churf. die gültt ein meyll wegs albeyenn zwischenn den zweyen unser lieben frawen tagen antwortten und reichen söllen, mann söll aber doch die armen vor sant Martinßtag nit pfenden, wo aber einer seümisch würdt, den möcht mann darnach pfenden ohn der andern schaden und wer es sach daß unser gnedigster Churfürst und Herre solche gültt weiter gefürt möchte habenn, söll ihre Churf. Gnaden den armen lonen.
Die Grundstücke, Höfe und Bauernhuben wurden den Röllbachern „mit Hand und Halm“ verliehen. Die Leihgebühr hierfür bestand aus den (Pacht-) Zinsen und der Gült -Grundgebühr und Pacht in einem- die überwiegend in Naturalien entrichtet wurde.
In der Reinhardt- Chronik ist für 1684 die Abgabenlast aufgelistet (mit Ergänzungen).
- Abgaben an den Kurfürsten von Mainz:
- Zinsen 13 Gulden
- Gült 5 Metzen Öl (wurde in der Mühle aus Leinsamen gewonnen)
- 37 Fastnachtshühner (Abgabetermin an Fastnacht)
- 6 Sommerhühner
- 159 Malter, 3 Sester Gültkorn (Roggen) (1 Malter = ca 100 kg = 32 Sester)
- 107 Malter, 1,5 Sester Dinkel
- 13 Malter Hafer (1 Malter = ca 35 kg)
- 4 Malter, 10 Sester, 3 Metzen Koppelhafer (an die Kellerei Klingenberg)
- Abgaben an das Kloster Himmelthal:
- 8 Fastnachthühner
- 30 Malter Korn
- 4 Malter Weizen
Die Gült musste zwischen den beiden Frauentagen abgeliefert werden: Dem „großen Frauentag“, Mariae Himmelfahrt am 15. August und dem „kleinen Frauentag“, Mariae Geburt am 8. September.
Das Weistum enthält noch zwei „soziale „Einschränkungen“, die offenschtlich auf Bitten der Bauern eingefügt worden sind.
Sollte ein „Armer“ mit seiner Ablieferung in Rückstand geraten sein, wird ihm eine Frist bis Martini eingeräumt.
Die Gült wird von den Röllbachern eine Meile weit unentgeltlich transportiert. Die deutsche Meile betrug etwa 7,5 Kilometer; das entspricht der Wegstrecke bis zur Amtsstadt Klingenberg. Sollte der Kurfürst „solche gültt weiter gefürt möcht haben, soll ihre Churf. Gnaden den armen lonen“.
Neben den üblichen gab es freilich noch außerordentliche Steuern und Belastungen, wenn die Obrigkeit diese für nötig hielt. In der Gemeinderechnung von 1657/58 sind beispielsweise „allerhand kösten von Soldathen zur Verpflegung“ erwähnt. Außerdem erschien im Dorf „Ein Reuter so zu Exequierung der Rückständigen Contribution geschickt worden“. Mit Drohung und militärischem Druck wurde also die rückständige Geldzahlung erreicht.
Rechte und Pflichten des Zehntherrn
Der zehnte Teil der landwirtschaftlichen Erträgnisse musste -unter Berufung auf die Bibel- an die Kirche abgeliefert werden. Vertreter der Kirche war an erster Stelle der Patronatsherr, der für den Bau und die Unterhaltung der Kirche zuständig war und den Pfarrer einsetzte und entlohnte. Im Artikel 9 des Weistums klingt noch etwas von den ursprünglichen Pflichten des Patronatsherren an. Er soll „hie zu rölbach einen glöckner halten und belonen“.
Für diese Aufgaben und Verpflichtungen erhielt der Patronatsherr, bzw. der Geistliche selbst, den Zehnt.
Patronatsherr in Röllbach war der Burgherr auf der Clingenburg, ab 1261 die Deutschordensniederlassung in Stadtprozelten und seit 1484 der Erzbischof von Mainz.
Er erhielt den Weinzehnt, der in Röllbach gekeltert und nach Klingenberg geliefert wurde, und den Fruchtzehnt, also jede zehnte Garbe auf dem Feld. Im 14. Jahrhundert ergab dies 12 Malter Korn, 4 Malter Hafer, 8 Pfund Heller Geld auf St. Gertrudentag.
Dieser Fruchtzehnt (oder „großer Zehnt“) wurde durch den Amtmann von Prozelten „uffgesteckt, verlihen undt waß derselbe erträgt, verrechnet“. Diese Prozedur, bei der die Vertreter der Obrigkeit eine Atzung erhielten (Artikel 1), ging nicht immer ohne Spannungen ab. Der herrschaftliche Beamte achtete peinlich genau darauf, dass jede zehnte Garbe ausgezählt und abgeführt wurde. Da kam mancher Bauer auf den Gedanken, diese zehnte Garbe etwas kleiner als die anderen zu machen.
Valentin Pfeifer hat eine Szene beim „Auszehnten“ beschrieben, bei der der herrschaftliche Knecht jede zehnte Garbe, die auf dem Feld steht, auf seinen Wagen lädt: „`Heda, Bauer, du bist gescheit, wir aber auch!`. Und roh lachend gabelt er statt der zehnten die elfte auf, `denn die mag größer sein`, ruft er schadenfroh“.
Der „kleine Zehnt“, der insbesondere aus Gartenfrüchten, wie Erbsen oder Hirse bestand, wurde direkt an den Pfarrer geliefert.
Zu den traditionellen Pflichten des Patronatsherrn, bzw. des Pfarrers vor Ort, gehörte die Bereitstellung der männlichen Zuchttiere, „nemblich einen Farren (Zuchtstier) und ein eber“ und einen oder mehrere Schafböcke (Artikel 7 und 8).
Im Laufe der Zeit übernahm die Gemeinde diese Aufgabe. Die Gemeinderechnung von 1657/58 vermerkt Ausgaben „Bey Verleyhung deß Vaßelviehs“.
Die Bestimmung des Faselviehhalters war also eine öffentliche Angelegenheit im Dorf. Die Haltung der Zuchttiere, die oft über Generationen hinweg in ein und derselben Familie verblieb, wurde natürlich entlohnt, „welches ist 4 mltr Korn und 1 mltr Habern und ein wiesen und acker...auch hat derselbig zwu khue und zwin sew pfrünfrei“ (abgabenfrei). In der ältesten Katasterkarte aus der Mitte des 19. Jahrhunderts ist östlich des Revelsberges ein „Fahrnacker“ (Farrenacker) eingezeichnet.
„...ob es noth wer oder Krigh“
Die von Gott eingesetzte- Herrschaft ist verpflichtet, den Untertanen Schutz und Schirm zu gewähren. In allen Dorfordnungen spielen deshalb Regelungen und Vorsichtsmaßnahmen für den Kriegsfall eine wichtige Rolle.
So bestimmte das Weistum von Mönchberg aus dem Jahre 1396, dass sich die drei Orte Streit, Ober- und Unterschippach und der Vor-Ort Mönchberg im Ernstfall gegenseitig „warnen, es seye Tag oder Nacht“ und dann nach Mönchberg kommen, „und den Flecken helfen bewahren“. Die Bewohner der Nachbardörfer sind also verpflichtet, bei der Verteidigung mitzuhelfen und hatten dafür das Recht, sich im Schutze der Mönchberger Dorfbefestigung und der Burg zu verschanzen, bis die Gefahr vorbei war.
In den meisten Dörfern war der mit einem Zaun oder einer Mauer umgebene Kirchhof den Einwohnern der einzige Schutz. Hier konnte man einen Angriff oder eine Belagerung eine Zeit lang überstehen. In Bürgstadt, Kleinheubach oder Eschau, aber auch in vielen anderen Gemeinden, sind Kirchhofmauern noch heute, zumindest in Resten, zu sehen.
In Röllbach war die Notfallregelung aber anders organisiert. Gerade in diesem Artikel macht das Weistum von 1559 einen außergewöhnlichen Eindruck und scheint Regelungen zu konservieren, die weit in die Vergangenheit zurück reichen.
Im 10. Artikel heißt es:
„Item weist man zwen fürth einen im waltterß baumgartten, den andern im finstern thall. Die söll man haltten drey rutten weidt, ob es noth wer oder Krigh würdten sein, dz die armen hinauß möchten faren. Auch so hetten sie machtt vom Klotzenhoffe an zu faren über die bachheldenn hin zu sölchen fürttenn zu, bis zu der Heynburg. Und wan sie füren durch die frucht, eß wer weyzt oder Korenn, so söllten sie niemand nicht darumb pflichtig sein."
Den „Armen“ im Dorf und auf dem Klotzenhof wurde also weder eine Burg oder ein befestigter Kirchhof als Zuflucht zugewiesen. Wenn „es noth wer oder Krigh“, sollen die Bauern auf dem schnellsten Weg zu zwei festgelegten Furten fahren, wenn nötig, auch über bebaute Felder, dort den Röllbach überqueren, um dann auf die Höhe zur „Heynburg“ zu gelangen, wo sie in Sicherheit sind.
Verfolgen wir einmal den Fluchtweg der Klotzenhöfer. Sie haben ihre Häuser zurückgelassen und sich mit ihrem Vieh (damals eine Art Lebensversicherung) und der Verpflegung für mehrere Tage auf den Weg gemacht.
In der Nähe von Röllbach queren sie das flache Heubachtal und fahren auf kürzestem Wege über die Bachhelden (Halde oder Helde= Abhang) durch das Finstertal hinunter zum Röllbach. Hier und etwa 500 Meter oberhalb (bei der Zeiselsmühle) befanden sich die beiden Furten, die jeweils drei Ruten breit (ca 10 m) frei gehalten werden mussten. Noch heute erkennt man am Bachboden unter Wasser eine Pflasterung. Eine Brücke gab es damals dort noch nicht.
Nach der Überquerung des Bachgrundes (auf ca 140 m NN) ging es den Buchgraben 120 Meter steil bergauf bis zum Rande des Totenwäldchens, um schließlich am Dreimärker (Klingenberg, Röllfeld, Schmachtenberg) vorbei hinüber zum Ringwall oberhalb Klingenbergs (290 m NN) zu gelangen.
Die Strecke vom Klotzenhof bis zur Heynburg bewältigt ein Wanderer in weniger als zwei Stunden. Mit Vieh und Wagen mag man die doppelte Zeit gebraucht haben.
Die Heynburg ist eindeutig mit der „Alten Schanze“ oberhalb Klingenbergs zu identifizieren (Reinhardt vermutete sie dagegen auf dem Bangert bei Röllbach!). Dieser Ringwall ist archäologisch noch nicht gründlich untersucht. Nach dem derzeitigen Wissensstand handelt es sich um die Reste eines frühen Adelssitzes aus dem 9. Jahrhundert, der Zeit der Ungarneinfälle und der permanenten Adelsfehden. Spuren älterer Benutzung, etwa aus keltischer Zeit oder der Epoche der Völkerwanderung, als (wahrscheinlich) die Hunnen hier durchgezogen sind, sind bislang nicht aufgetaucht.„Als jüngere Bauphase ist in die frühmittelalterliche Burg ein wohl hochmittelalterlicher Burgstall eingebaut“. In Aussehen, vermuteter Zeitstellung und Funktion ähnelt die Heynburg der Altenburg auf der Höhe zwischen Soden und Ebersbach und dem Greinberg bei Miltenberg. Die noch vorhandenen Wälle sind Reste von ursprünglichen Holz- Erde- Mauern, die nach Verfall der hölzernen Rahmen in sich zusammen gefallen sind.
Die Beschreibung eines Fluchtweges zu einem Ringwall ist außerordentlich selten. Einige Fragen bleiben noch offen:
- Hält diese archaisch anmutende Beschreibung der Heyneburg als Fliehburg eine Erinnerung an Praktiken des frühen Mittelalters oder noch weiter zurück reichender Epochen fest? Lassen sich Einzelinformationen, wie Einzugsgebiet oder Wege- Unterhaltung, auf andere Beispiele wie die Altenburg bei Soden/ Ebersbach oder den Greinberg bei Miltenberg übertragen?
- Wird hier ein Sachverhalt beschrieben, der noch im 16. Jahrhundert aktuell war?
- Warum zogen sich die Röllbacher damals nicht in ihren Kirchhof zurück? Den gab es doch auch. In der Gemeinderechnung von 1721/22 ist eine (eingefallene) Mauer des Kirchhofs erwähnt.
- Die Beschreibung des Fluchtweges und Einzugsgebietes belegt die uralte Verbindung der Herrschaftsburg in Klingenberg mit Röllbach und seinem fruchtbaren Umland. Warum sind Schmachtenberg und der Rosshof nicht erwähnt?
- Wohin zogen sich der in Röllbach residierende Keller oder der Amtmann zurück, wenn er hier in eine Notsituation geriet? War die Fliehburg nur für die „Armen“ und ihr Vieh gedacht? Gab es dort ein Haus, das der Bevölkerung Schutz gegen Wind und Wetter bot? Gab es ein „festes Haus“ für den Organisator oder Kommandogeber?
Die Mühlen
Im Schnittpunkt der beiderseitigen Interessen von Herrschaft und Dorfgemeinde lagen auch die Mühlen, die in den Artikeln 11 mit 13 behandelt werden. Dem Dorfherrn musste es angelegen sein, die Mühlen zu „bannen“, das heißt, die Einwohner zu „dringen“, ihr Korn dort und nur dort mahlen zu lassen, um dem Pächter ein kalkulierbares Auskommen zu verschaffen (und die an der Mühle hängenden Abgaben kassieren zu können).
Die Gemeindemitglieder andererseits mussten sicher sein, dass ihnen das Mehl für ihr tägliches Brot gegen eine faire Entlohnung gemahlen wird. Misstrauen gegenüber den Müllern, die ja außerhalb des Dorfbereiches wohnten und oft auch „Zugereiste“ waren, war allgemein verbreitet, zumal das Mahlen nicht recht überprüft werden konnte: Wurde das ganze abgelieferte Quantum gemahlen? Hat der Müller zu viel für sich einbehalten, weil das Mahlgut angeblich zu feucht oder zu trocken war? „Wan inen dieselbigen müller nit recht thetten“, konnte sich der geschädigte Nachbar natürlich wehren, wenn er den Nachweis erbringen konnte. „Nur die Säcke wissen, was in der Mühle geschieht“, war eine weit verbreitete Redensart.
Wurde die Mühle durch ein „gewaltwasser“ beschädigt, waren die Röllbacher Nachbarn verpflichtet, bei der Reparatur oder beim Wiederaufbau zu helfen, „biß wider ein gewaltwasser quem“. Offenbar kam es während der sogenannten „kleinen Eiszeit“ zwischen dem 16. und dem 19. Jahrhundert immer wieder vor, dass die Mühlen nach einem „Jahrhundertregen“ beschädigt worden sind.
Die Einzelbestimmungen der Weistümer sind oft langlebig und werden oft unverändert weiter gegeben, zunächst mündlich, dann schriftlich. Wenn man aber den Text der „Dorfgerechtigkeit“ genauer anschaut, kann man auch Veränderungen registrieren. Der Artikel 12 ist so ein Beispiel:
„Item weist man zu Recht zwue mülen, darein söllen die von rölbach gedrungen sein zu malen“. Von zwei Mühlen ist hier die Rede, genannt wird aber nur die Zeiselsmühle, deren Pächter zwei Fluchtwege unterhalten muss „von der mülen biß in den walperßgraben“.
Nicht (mehr) im Weistum erwähnt ist eine zweite Bannmühle, die aber 1684 noch erwähnt wird:“...undter Menichberg Eine, die Awmühle genanndt“.
Was hat es mit dieser Aumühle auf sich? Sie lag an der Stelle, wo der Reitweg oder Draisweg von der Wendelinuskapelle herunterkommend auf den Aubach trifft. Sie lag außerhalb der Mönchberger Gemarkung und gehörte kirchlich zur Pfarrei Erlenbach.
Es handelt sich offenbar um die in einer Urkunde von 1280 erwähnte „mule an der ahhe“. Die Herrin auf der Clingenburg, Guda von Falkenstein, verwitwete von Bickenbach, hatte die ertragreiche Mühle einst als Morgengabe erhalten.
Mit der im Röllbacher Weistum nur indirekt erwähnten Aumühle können wir also einen Blick werfen in das hohe Mittelalter, als die Burgherren von Klingenberg die landwirtschaftlich außerordentlich ertragreichen Lösshänge besaßen, beispielweise das Langental, das von der alten Burg Klingenberg (ab antiquo castro) „gen Escehe“ zieht (1295). Schenkungen an das 1232 gegründete Kloster Himmelthal und an den Deutschen Orden veränderten dann das Besitzmosaik.
Das gemeine Haus
Ab dem 15. Artikel ändern sich Themen und Stil des Weistums. Die ersten 14 Abschnitte begannen jeweils mit der Formel „Item“ (dh. „also“, bzw. „als nächstes“) weist man zu Recht“. Diese Wendung fehlt bei den nun folgenden Einträgen, die auch Themen behandeln, die nicht aus dem „alten Register“ stammen, sondern unter dem Amtmann Adolf Echter am 19.11.1576 angefügt worden sind, wie es am Ende des Textes heißt. Es handelt sich nicht mehr um gewiesenes Recht, sondern um, modern gesprochen, Bekanntmachungen.
Zum 16.
It. Zu wissen ist, dass dz gemeine hauß in der gemein gebautt worden. Söll auch in der gemein in ast und baw gehaltten werdenn, dem armen als viel als dem reichen. Es kost viel oder wenig.
Das gemeine Haus, das Rathaus, ist offenbar gerade erst (1576) gebaut worden. Eine Generation nach den Zerstörungen des Markgrafenkrieges von 1552 begann auch am Untermain eine Zeit wirtschaftlicher Prosperität, die einen Bauboom zur Folge hatte, der bis zum Einmarsch der Schweden andauerte. Zwischen Eschau und Faulbach, Wörth und Bürgstadt wurden damals Rathäuser errichtet.
Das neue Haus soll von den Röllbachern pfleglich behandelt werden und jedem Einwohner zur Verfügung stehen, „dem armen als viel als dem reichen“. Die Sprache signalisiert Veränderungen: Die Formel von „in Ast und Bau“ entspricht noch der Tradition. „Arm“ aber ist hier keine Bezeichnung mehr für die Bauern allgemein, die im Weistum mehrfach als „die Armen“ bezeichnet werden, sondern ist hier als Gegensatz zu „reich“ verwendet. Auch im Ort haben sich die wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse geändert!
Das gemeine Haus in Röllbach wurde auch zum Rat-Haus in dem Sinne, dass die Sitzungen des Gerichts jetzt hier stattfinden konnten. In der geräumigen Ratsstube fanden auch Tanzveranstaltungen an Kirchweih oder bei privaten Anlässen statt. „Es soll auch ein jedter, der ein Hoch-Zeit uff der Stuben halten will“, einen Gulden Mietzins zahlen und „soll alles machen lassen was uff die Zeit zerbrochen würdt“. Wenn dieses Zitat Reinhardts aus einem (leider nicht mehr vorhandenen) „Weistum von 1545“ richtig ist, gab es in Röllbach einen Vorläuferbau des gemeinen Hauses, der möglicherweise 1552 zerstört worden und in den 60-er Jahren des 16. Jahrhunderts neu aufgebaut worden ist.
Das Dorfbuch
In einem Zusatz zum 18. Artikel des Weistums heißt es:
„...Wo Ehebetheidigung, ein Kindtschafft, Vermachtnuß und andre Contracten beschehen, die sollen jeder Zeit in das Dorff und gerichtsbuch eingeschrieben werden mit Wissen eines Schultheissen und gerichts, wie hioben bemelt und dem gericht 2 mas Weins geben...“
In diesem Dorfbuch sollen jetzt in Zeiten, in denen Bürokratie, Verwaltung und Schriftlichkeit eine immer größere Bedeutung erhielten, Abmachungen und Verträge („Contracte“) von Einzelpersonen schriftlich festgehalten werden. Das Dorfbuch enthält deshalb alles, was heutzutage im Standesamt (das es seit 1876 gibt), im Notariat, im Amtsgericht oder in Kreditinstituten erledigt wird.
Standesamtliche Einträge
Wollte eine Frau sich anderswohin verehelichen, benötigte sie einen Geburtsbrief, in dem ihre Eltern und ihre eheliche Geburt bezeugt wurden. Für Ottilia Krug wurde eine solche Bestätigung am 15.7. 1661 ausgestellt. Auch Eva Daum, „geistliche Jungfrau“, erhielt einen Geburtsbrief am 18.10.1679 im Röllbacher Rathaus, als sie ins Kloster eintreten wollte.
Bei Eheversprechen mussten oft komplizierte Regelungen getroffen werden, wenn beispielsweise ein Witwer mit Kindern aus erster und zweiter Ehe ein drittes Mal heiratete und die Braut ebenfalls Nachwuchs mit in die Ehe brachte.
Problemloser ging es beim Eheversprechen zwischen dem Witwer Josef Ackermann mit Barbara Seyfried aus Richelbach zu. Er steuerte als Morgengabe 400 Gulden bei; dazu „ein gantz beth mit einem überzug“ und „2 küssen und ein flechsen Leylach“ (Leinentuch aus Flachs). Die Hochzeiterin brachte dieselbe Bettausstattung mit und 200 Gulden. Weitere 100 Gulden wurden unter Vorbehalt beigesteuert. Sie sollen wieder an die Familie in Richelbach zurück fließen, wenn sich keine Leibserben einstellen sollten.
Das Dorfgericht als Notariat
Frau Margaretha, die mit Cuntz Elbert eine und mit Jost Wermann drei Töchter hatte, wollte 1570 ihre vier Töchter erst erbrechtlich absichern, bevor sie mit „meinem freundlich- lieben Hauswirth Jakob Metz“, der zwei Kinder hatte, eine dritte Ehe einging. Damit sie ganz sicher sein konnte, dass ihre Verfügung auch eingehalten wird, „hab ich solches in das gemeindlich dorff Puch zu Rölbach schreiben lassen“.
Die verlassene Wittfrau Barbara wollte 1551 „alle ir gutt das sie hatt" ihrem Sohn Bastian zukommen lassen. Deshalb hat sie diese „einem Erbarn Schuldes und Erbarn Gericht zu Rölbach übergeben...mit Hand und Halm“ (im Text verschrieben mit „halb“).
Als sich 1616 die Witwe Roleder und ihr Nachbar Adam Zöller nicht einig wurden, hat das Dorfgericht die Streitsache „in augenschein“ genommen und im Dorfbuch das salomonische Urteil fest gehalten, dass „beyde den Zaun hegen und halten sollen“.
Das Hypothekenbuch
Die weitaus meisten beglaubigten Einträge des Dorfbuches betreffen Hypotheken für ausgeliehenes Kapital. Was heute als Grundschuld in das Grundbuch beim Amtsgericht eingetragen wird, wurde damals vom Dorfgericht amtlich beglaubigt.
Wenn also ein Röllbacher Geld bei der „pfarrkirchen“ oder bei der „cappeln unsrer lieben frawen zu Rölbach“ oder beim „Spital zu Prozelten“ Geld ausgeliehen hatte, musste der Kreditnehmer Sicherheiten in Form von Grundstücken oder Immobilien stellen. Diese wurden dann vom Dorfgericht als „Unterpfand“ festgeschrieben. Wenn die Schuld getilgt war, wurde der Eintrag im Dorfbuch durchgestrichen.
Adam Eulbacher aus Röllbach hatte ohne Beglaubigung einen Schuldschein über 50 Gulden unterschrieben; da dieser „in den Kriegswesen verlohren“ gegangen ist, gibt der Sohn Vollmar 1661 eine Erklärung vor dem Dorfgericht ab, er habe „alles gentzlichen bezahlt“, wenn aber der Schuldschein „über kurtz oder lang durch Jemandt solt vorgezeigt werden“, soll dieser „für Nul und Nichtig“ gehalten werden.
Ab 1634 wurde im Dorf ein eigenes „Zinsbuch“ angelegt (Archiv Röllbach Nr. 2156). Kreditgeber waren Einzelpersonen, vom Schwager in Reistenhausen bis zu Cuntz von Aulenbach. In der weit überwiegenden Zahl aber waren es Kirchen, Kapellen, die Almosenstiftung in Obernburg oder die Bruderschaft in Klingenberg oder Wörth.
Die Kreditzinsen für ausgeliehenes Kapital waren für die Kirchenstiftungen die Haupteinnahmequelle. Die Zinsen betrugen jährlich 5% und waren in der Regel an Martini fällig.
Was fehlt im Röllbacher Weistum?
Weistümer enthalten überwiegend Regelungen an der Schnittstelle zwischen Herrschaft und Bauernschaft. Themen, die nur den Eigenbereich der Nachbarn betrafen, wurden oft ausgeklammert und sind anderswo überliefert. Im Vergleich zu anderen Weistümern sind in der Röllbacher Dorfordnung folgende Themen nicht ausdrücklich erwähnt:
- Wege- und Überfahrtsrechte. Nach der Methode der Dreifelderwirtschaft war auch die Röllbacher Gemarkung in drei Flüre eingeteilt. Jeder Bauer hatte in jedem Drittel Feldstücke, die nach einer gemeinsam beschlossenen Abfolge bearbeitet wurden. Viele Äcker hatten aber keinen direkten Anschluss an die gemeindlichen Wege. Deshalb musste darauf geachtet werden, dass keiner mit seinem Fuhrwerk über bebaute Felder fahren musste, um an seinen eigenen Acker zu kommen. Nur wenn „es noth wer oder Krigh“, durften diese Überfahrtsrechte ungestraft übertreten werden.
- Das Verhalten gegenüber durchziehenden Fremden und Bettlern, das vom grundsätzlichen Misstrauen gegenüber allem Unbekannten einerseits und dem Gebot christlicher Mildtätigkeit andererseits geprägt war.
- Regelungen für Wirte (Ausschankrechte), Bäcker und Metzger
- Waldnutzung: Der Wald war jahrhundertelang das wirtschaftliche Rückgrat der Gemeinde. Ohne den Wald konnten die Menschen früherer Zeiten nicht überleben.
In eigenen Rug-Registern (zB. 1787) wurden Rügen und das Strafmaß eingetragen, wenn der Jäger oder Waldschütz Übertretungen der festgelegten Regelungen konstatierte. Für jede Anzeige erhielt er einen Teil des Bußgeldes als Prämie!
Drei Beispiele:
Da hat eine Röllbacher „ohne Holtztag Holtz gemacht“. Er hat sich also nicht an den vereinbarten Termin gehalten, an dem die Nachbarn ihr Brennholz aus dem Wald holen konnten.
Da hat Martin Reinhard „in der Heeg eine Fuhr Laub gemacht“. Waldlaub war als „Streu“ im Stall und als Düngemittel für die Landwirtschaft sehr begehrt. Deshalb wurden Streunutzungspläne aufgestellt, die regelten, in welchen Waldbezirken an bestimmten Streutagen Laub zusammengerecht werden durfte. Wer sich an diese Vorgaben nicht halten wollte, musste Strafe zahlen.
Waldabteilungen, in denen gerade nicht Streu gemacht oder Vieh geweidet werden durfte, wurden mit Strohbüscheln abgehängt und so „gehegt“. Die Gemeinderechnung von 1657/58 vermerkt Ausgaben „von der Heegwait zu behenken“.
Diese Historie wurde erstellt von Herrn Dr. Trost